Pressestimmenfakes
 
the Jazzdropout ( Novemberausgabe 2009)

Noch nie in der Geschichte des aufgenommenen Klangs hat sich ein Künstler oder ein Kollektiv so weit herausgewagt wie Charakterschutz: mit der Veröffentlichung eigener Werke zu warten, bis das Gesamtwerk steht, das ist das Prinzip "l´art pour l´art" gnadenlos zu Ende gedacht oder: immer am Rande des Absurden entlang die moderne Musikwelt karikiert.
Für ernsthafte Musiker eine irritierende Angelegenheit, den vom erhöhten Standpunkt des altgedienten Tonträgerhändlers als statistisch-typisch erkannten Karriereverlauf des modernen Musikers schlechthin als Startblock für dieses größenwahnsinnig anmutende Projekt zu nehmen.
Keine outdoor Interviews, keine publikums- oder erfolgsbegründeten Korrekturen, Kurswechsel, schwankende Motivationsversorgung: all das ist als Grundannahme vorneweg ins Konzept integriert, das daraus resultierende Marketing bereits werkseitig verwirklicht und somit ein Teil des Werkes, das selbstironisch den Bogen schlägt über eine komplette Werkschau. Von den ersten, unaufgeräumten Anfängen über das "megaerfolgreiche" Album, den sukzessiven Verfall der Kreativität, über Remix- und Cover CD hin schließlich zu naiv daherkommenden finalen Kinderliedern, die den endgültigen, streng nach Resignation riechenden Rückzug ins Private einläuten. Diese Gesamtpalette musikalischer Werke, gute, schlechte, sich selbst-kopierende als Gesamtbandbreite moderner Musik nutzend, sortiert Charakterschutz all seine Ideen ins passende Schubkästlein. Um auf diese Weise alle Energien aufs Wesentliche, nämlich die Musik, zu bündeln.

 
Der Seidelbast ( Räumungsausgabe 2012)
Während man als Künstler der Gegenwart gezwungen scheint, sich im immer schneller drehenden Namen- und Trendkarrusell diesem perfiden Tempo anzugleichen und stetig schrumpfende Zeitfenster mit seinen Veröffentlichungsstrategien auf den Punkt zu treffen, um den Hauch einer Abverkaufschance wahrzunehmen, taucht mit Charakterschutz hier Einer auf, der diesen ganzen Wahnsinn mit einer Handbewegung vom Tisch wischt und eine Strategie an den Tag legt, die in ihrer Langzähigkeit anmutet wie der blaugepauste Plan B zur Errichtung der personalisierten chinesischen Mauer.

Nicht die Einhaltung einer Deadline nach der anderen, Torschlußpanikattacken beim Mitansehenmüssen des heraneilenden künstlerischen Verfalldatums oder rastlose multiple Verwertungswut werden als modernes Maß aller Dinge akzeptiert, sondern im starrköpfigen Gegenteil das Bewußtsein der Wertigkeit von Kultur und geistiger Werke im bestmöglichen Wortsinn konservativ=erhaltend und auf lange Sicht hin angelegt, eine kulturelle Zukunftssicherung gewissermaßen. DARAUF kommt es el Berndo aka Charakterschutz an (..)

Kultur und damit natürlich auch Musik muß ihre Wertigkeit und Relevanz wieder durchsetzen in den Köpfen dieser unbedachten fahrig-vereinsamten Welt, so die grundlegende Mission el Berndos. Das ist umso schwieriger, je mehr es bereits davon gibt, je größer die Ähnlichkeit untereinander scheint und je leichter es ist, sich diese problemlos á la minute verfüg- und nutzbar zu machen. "Vielleicht", so el Berndo, " haben wir ja auch schon mit der ganzen Kopier- und Verbreitungstechnologie in Privathand den Sättigungspunkt erreicht, an dem zufälligerweise auch alles schon gesagt ist - das Meer der Veröffentlichungen reicht ja jedem Newcomer schon als Startbedingung bis zum Hals".
Genau von diesem Punkt startet Charakterschutz und nimmt die Relevanz von Musik in einem sehr differenten Sinn ernster, als es ihr je zugestanden wäre: ihre Vermarktung bedeutet im Zusammenhang mit Musik heute, ja Kultur per se: Bewußtmachung ihrer Wertigkeit. Die Verwandtschaft dieser beiden zwei-eiigen Zwillinge wieder als solche in den Köpfen der "Konsumente" sichtbar werden zu lassen, ist erklärtes Ziel dieses einzigartigen Projekts. Dabei geht es nicht um Abverkaufssteigerung, die Latte liegt viel tiefer, berührt praktisch den kaltfelsigen Boden: wie soll diese Welt "vorankommen", wenn sich das Erschaffen von Kultur nicht mehr im lebenserhaltenden Rahmen als Mindesteinkommen bezahlt machen kann? Muß damit jeder Künstler sich zu seinen Amateurkollegen einem themenfremden Hauptbroterwerb hingeben? Sinkt damit nicht unweigerlich das Niveau? Oder bringt es damit all die menschlichen Werke wieder zurück an den Ursprung der menschlichen Existenz: den Kampf ums Überleben? Und: kann das alles sein, worum Kunst sich drehen sollte?
(..)

 
That Wawaw Insideher
(wriggled and wriggled and wriggled)

Am Anfang war das Wort.
Und es schwebte über der Flatrate und dem Downloadbereich in der Dunkelheit und der (musikalischen) Stille.
Die Schöpfungsgeschichte neu zu schreiben, das scheint ein längst überfälliges Unternehmen zu sein, führt man sich das Phänomen Charakterschutz mal näher zu Gemüte: das Ansehen von Sprache, anhand des am ungeeignetst scheinenden Beispiels, nämlich dem der Darreichungsform "Werbetext", wird hier in großem, doch leicht verdeckt gehaltenen Stil thematisiert.

Augenscheinlich als musikalisches Projekt mit ehrgeizig anmutenden Gesamtdiskografieentwurf erdacht, nähert sich Protagonist "el Berndo" von der sprachlichen Seite seinem Werksplan. Faszination ist das Grundelement und Lebenselixier von Kunst und Musik, so seine Grundüberlegung. Diese könne mittels Sprache kulturrelevanter weitergegeben oder erzeugt werden als mit dem Klang der Musik allein. Kommunikation (-sfähigkeit), Esprit, Kritikfähigkeit und ironisch gebrochenen Persiflage SIND de facto Teil von Kultur. Diese Tatsache geht im Werbebabylon allzu oft unter und als Antwort auf die Umfragen, was denn als Kultur zu gelten hat heutzutage bleibt nur auf dem falschen Fuß überraschtes händeringendes Gestammel. Faszination ist zum größt anzunehmenden Teil immer inhalts- das bedeutet: textgebunden. Große Lieder sind dann welche, wenn sie wichtige Geschichten erzählen oder ebensolche Ideen in leicht verdaulicher musischer Form verpackt präsentieren.(..)

Und genauso muß auch "Gerede" über diese Kunst sein: anregend, inspirierend, im besten Sinne unterhaltend. Im Englischen besser ausgedrückt mit "bemusing".
Mit dieser Erkenntnis beglückt, startet el Berndo vom frisch entdeckten Punkt Null: Der tolldreisten Annahme nämlich, daß in diesen lesefaulen Zeiten ALLEIN die Slogans und rhetorisch-sinnigen Verdrehtheiten der Werbewelt unbeabsichtigt zum Kulturträger der modernen Welt avanciert sind und ihre textlichen Ausgeburten den literarischen Grundstock künftiger Generationen bilden werden. Insofern geht el Berndo streng methodisch, dieser "Erkenntnis" folgend vor: Alle Interviews, Songbesprechungen oder einleitende Kommentare riechen hier absichtlich nach reinen Werbebotschaften für die eigene Sache. El Berndo unterzieht sich nicht der sinnlosen Mühe, zu betonen, wie relevant das Phänomen Kulturerhalt sei, er fabuliert, ätzt und überrascht in leichtem Ton, und erst nach und nach offenbart sich die Tragweite seines Themas. (..)
 
3 Viertel 5 ( Ausgabe 10/2009)
Den Verlauf einer karriere-umfassenden Diskographie nicht als Ergebnis der persönlich-künstlerischen Entwicklung über lange Lebensjahre eines Musikers aufzufassen, sondern über dieses Phänomen von einem erhobenen Standpunkt aus kreativ zu werden, das deutet auf ein völlig anderes Prinzip der Kreation hin. Sowie, und das ist noch interessanter, auf ein unerschütterliches Vertrauen a) in die eigenen kontinuierlich sich entwickelnden Fähigkeiten, b) in die Konstanz und Qualität einer über Jahre erarbeiteten Kompetenz und c) das Bewußtsein, daß Geschmacksbildung als wesentlicher Grundstein der kulturellen Ausstrahlung zu zählen hat.

 
DGDWZ ( Newsletter 26/2013)
Wer im Jahre 2013 immer noch Musik auf physischem Tonträger veröffentlicht, mit dem kann etwas nicht stimmen. Entweder durch ein mittelaltes Lebensalter dazu prädestiniert, sich dem Zug der Zeit verweigernd, mit dem Plan beseelt, ein "historisches" Zeichen setzen - oder mit gar all diesen Komponenten gleichzeitig ausgerüstet.

Lange geplant, noch länger angekündigt und jetzt -überflüssigerweise?- Realität geworden: Charakterschutz, das Ein-Mann-plus Projekt aus Mannheim befördert sein "Gesamtwerk", ein zehn CDs umfassendes Kompendium in die Regale- ja, welcher Läden oder Wohnzimmer denn eigentlich?
Längst schon sprudelt die Musik doch aus immer kleiner werdenden, dafür immer mehr fassenden tragbaren Speichermedien, CDs oder gar Vinyl dagegen haben längst ihren festen Platz file under: Nostalgia eingenommen und sind ein Lifestyle- und Kategorisierungmerkmal der über Vierzigjährigen.

Das hübsch betitelte Charakterschutz - Complete Works muß also - jenseits der schillernden musikalischen Gestaltung der Einzelteile - als quasi historisierendes Kunstwerk oder Denkmal gelten. Als Denkmal einer vergangenen Zeit, aus der der Menschheitstraum stammt, mit selbstgemachter Populärmusik ein mondän riechendes Leben gestalten zu können. Lasterweise "Platten" zu verkaufen, während man zuhause am frischgefüllten Pool sitzt und sich mit Groupies und allem Guten aus der Frischluftapotheke die Zeit wärmt.
Auch aus einer Zeit, als die Blickrichtung auf Kunst und Musik eine ziemlich andere war und ein musikalisches Werk sich zum Beispiel auf die Idee, den Umfang oder Konzeption einer sogenannten "Albumlänge" konzentrierte, das heißt die Aneinanderreihung eines guten Dutzends Lieder oder Tracks. Dieses dann wiederum als Werk eines arbeits- und promotionsreichen Musikerjahres galt, das danach eine künstlerische Weiterentwicklung, Pause oder gar Umorientierung nach sich zog. Über Jahre gesehen, konnte man so ziemlich deutlich eine künstlerisch-persönliche Entwicklung anhand dieser "Diskografie" ausmachen, ein klingendes Coming-Of-Age-Dokument sozusagen. Genau dieses ironisierend nachzuzeichnen ist Charakterschutz´ Ausgangspunkt für diese 10 simultan (!) produzierten CDs und stellt damit gleichzeitig die herausragende historische Komponente und Idee dar. So ändern sich die Zeiten, denkt man unwillkürlich beim Anblick der Packung: heute hangelt sich homo musicus von Downloadhit zu Downloadhit, geht nebenbei seinem Macjob nach, was dem Ganzen irgendwie den Atem nimmt und das, was früher mal besonnen Entwicklung genannt wurde, ist nicht mehr auszumachen im Stimmengewirr der Zeitvertragsverhandlungen.

Allein schon dieses faszinierende Element und das anachronistische Erscheinungsdatum machen diese Veröffentlichung interessant, wirft sie doch ein neues Licht auf das, was Musikerkarrieren damals ausmachte und stellt damit die Gegenwart der Kultur und ihren veränderten "Produktionsbedingungen" erneut zum Diskurs.


 
Der eingelegte Sauergulp (Ausgabe Warmjanuar2007)
(..) fast will es scheinen, daß gerade die Abwesenheit der Musik das faszinierende Moment ausmacht, als klischeeferner und unerlösender Appell an die persönliche Fantasie der Hörer/Leser fungiert, der seit geraumer Zeit von der Übermacht der herandrängenden Kultur verursachte Lähmungserscheinungen zeigt.
Also finden wir uns wieder in einer Aura der freudigen Erwartung, was da im Jahre 2013 alles auf uns zukommen mag, haben wir doch schon soo viel darüber gelesen und gelacht, sind nachdenklich über uns selbst geworden, haben uns und den Kulturbetrieb, der um uns tobt, auf ein Mal mit anderen Augen gesehen. Fast wie das aufsprittende Moment (noch) unerwiederter Liebe, das, über sich selbst verwundert, jäh sehnsuchtsvolle Bilder malt, frischverwundert auf diese alte Welt blickt und schier birst vor Vorfreude.
Eine Welt der hörbaren Wunder tut sich auf unter der vergnüglichen Lese-Anleitung Charakterschutz´, in der man plötzlich dissonante Opernchöre zu vernehmen glaubt, und das ausgerechnet im etwas zweistimmig-stöhnenden Umdrehungsgeräusch der Waschmaschine in der morgendlichen Küche. Oder stadtsommerliche Bagger, die die Stadt mit ihrem Herumraufen verstopfen unter einem metaphysischen Blickwinkel sehen lernt. So daß jeder, der Ohren hat, zu hören, endlich wieder erschauern kann, welch wunderbare Sensationen damit möglich sind.














Charakterschutz! Charakterschutz!
Charakterschutz muß her!

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